Das Münchberger Wochenblatt vom 14. November 1885 berichtet, dass schon 1856 in Münchberg die Idee „zur Errichtung eines Rettungshauses … zur Aufnahme verwaister und verwahrloster Kinder“ auftauchte, „welche aber nicht zur Durchführung gelangte“.
Am 29. April 1869 wird der „Lutherstiftsverein, evangel. Arbeiterverein zu Münchberg“ vom Kgl. Landgericht in Hof als Verein anerkannt. Er stellt sich laut seiner Statuten „die Aufgabe, auf dem Boden des evangelischen Glaubens christliche Sitte, Bildung und Geselligkeit, sowie Vaterlandsliebe unter dem Arbeiterstande zu pflegen und zu freiwilligen Beiträgen für das Waisenhaus Lutherstift in Münchberg anzuregen.“
Am 10. November 1883, anlässlich des 400. Geburtstags von Martin Luther, gründen die Fabrikanten Carl und August Stöckel zusammen mit Carl Grimmler das „Dr.-Martin-Luther-Stift zu Münchberg“ bzw. die Waisenhausstiftung. Damit reagieren sie auf die Not dieser Zeit und legen fest, „arme Waisen und verwahrloste Kinder, zunächst der Stadtgemeinde, aufzunehmen“ und „sie zu nützlichen und rechtschaffenen Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft“ zu machen.
Am 10. November 1885 wird das Dr. Martin-Luther-Stift (Waisenhaus) in der Dr.-Martin-Luther-Straße feierlich eingeweiht. Hausmutter für zunächst acht, dann zwölf Kinder ist Marie Keller. November 1889 entscheidet der Kirchenvorstand der Evang.-Lutherischen Kirchengemeinde in Münchberg, eine Schwester für Gemeindediakonie anzustellen und ruft die Münchberger Bürger auf, dafür zu spenden. Das Augsburger Mutterhaus sendet erst dann zwei Diakonissen, als klar ist, dass ein Verein für Gemeindediakonie geplant ist, „dessen Ausschuss mit einem Geistlichen an der Spitze als Vorsitzendem das Weitere (im Waisenhaus) zu ordnen hat“.
Zwei Jahre später, am 25. September 1891, wird der „Verein für Gemeindediakonie“ gegründet und am 5. Mai 1893 vom Landgericht Hof anerkannt. „Der Verein führt den Namen Verein für Gemeindediakonie in Münchberg und hat als Zweck zunächst die Aufstellung und Unterhaltung von Diakonissen für Ausübung der Armen- und Krankenpflege.“ 1892 tritt der Verwaltungsrat der Waisenhausstiftung die Betriebsträgerschaft des Waisenhauses an den Verein für Gemeindediakonie ab.
1893 übergibt Carl Stöckel das Grundstück Marienstraße 13 an die Stadt Münchberg mit der Auflage, darin Räume für eine Kleinkinder-Bewahranstalt und für den Evangelischen Arbeiterverein zu schaffen. Ins „Stöckelhaus“ oder auch „Vereinshaus“ (heute Ostteil des Evangelischen Gemeindehauses) gehen im Oktober 1893 zunächst vierzig, doch schon bald mehr als hundert Kinder.
Die Arbeit im Lutherstift (Waisenhaus) und später in der „Kinderschule“, wie der erste Kindergarten von den Münchbergern genannt wurde, sowie die Pflege der Alten und Kranken in der Stadt wird ab 1891 von erst zwei dann vier Diakonissen des Augsburger Mutterhauses geleistet. Schwester Marianne Buchner, die von 1917 bis 1959 im Waisenhaus tätig war, hat „ihre Kinder“ durch die Not zweier Weltkriege gebracht und mit Entschlossenheit und Gottvertrauen immer wieder finanzielle Mittel für notwendige Anschaffungen und Baumaßnahmen erreicht.
1928 gründet Schwester Marianne den Arbeiterinnenverein (später Wort und Werk). 1931 erreicht sie, dass vier weitere Augsburger Schwestern das verwahrloste Krankenhaus in Münchberg übernehmen und es zu einer „Musterstation“ machen. Zwei Schwestern sind im Waisenhaus untergebracht. Der Gemeindediakonieverein ist somit indirekt am Aufbau einer ordentlichen Krankenversorgung in Münchberg beteiligt.
Nach dem 2. Weltkrieg dehnt sich die Stadt Münchberg stark nach Süden aus, so dass lt. Kirchengemeindebuch von 1953 ein Kinderheim am Kreuzberg mit Kindergarten, Kleinkinderabteilung und einer Station für eine zweite Gemeindeschwester errichtet werden soll. 1956 wird das Gebäude eingeweiht und der Diakonieverein richtet dort eine Gemeindepflegestation ein. 1958 wird vom Lutherstiftsverein das Arbeiterinnenwohnheim neben dem Kinderheim erbaut. Für die zwei Augsburger Diakonissen wird später ein VW-Käfer gekauft, damit sie ihre Pflegestellen rasch erreichen können. Angeboten werden auch hauswirtschaftliche Versorgung, Nachtwachen, usw. Als die Diakonissen ins Mutterhaus zurückgerufen werden, übernehmen zwei Stockdorfer Schwestern die Nachfolge.
1974 tritt die vollausgebildete Krankenschwester Gerda Fraas ihren Dienst in der Münchberger Diakoniestation an, die zunächst privat und dann im Wohnheim auf dem Kreuzberg untergebracht ist. Der Vorsitzende des Gemeindediakonievereins, Dekan Heinzleo Glenk, unterstützt Schwester Gerda und ihre späteren Kolleginnen in ihrer aufopferungsvollen Aufgabe, die nicht nur Pflege umfasst, sondern auch Kontakt mit Ärzten, Abrechnung mit den Krankenkassen, Beschaffung der Pflegehilfsmittel und Verbuchung der Spenden.
Der Dienst der Diakonieschwestern nimmt immer größere Ausmaße an. Aufgrund des demographischen Wandels steigt der Bedarf an Pflegeeinrichtungen und Pflegekräften. Mit der Einführung der Pflegeversicherung ab 1. Jan. 1995 entwickelt sich der „Pflegesektor zu einem selbständigen beruflichen und wissenschaftlichen Profil mit einer Vielzahl an neuen Aufgaben und Betätigungsfeldern“. Pflege muss geplant, dokumentiert und ständig neuen Erkenntnissen angepasst werden. Neue Strukturen sind notwendig.
1981 schließen sich die Diakoniestationen von Helmbrechts, Münchberg, Schwarzenbach a.d. Saale und Zell zur „Arbeitsgemeinschaft Zentrale Diakoniestation“ zusammen, die dann am 24. Juli 1997 weitergeführt wird als „Zentraler Diakonieverein im Evang.-Luth. Dekanatsbezirk Münchberg“ (ZDV). Aufgabe des ZDV soll sein, die gesamte Abrechung mit den Krankenkassen und die Buchungen sowohl für die Stationen wie für die Vereine zu übernehmen. Neun evangelische und zwei röm.-katholische Kirchengemeinden im Dekanat und die drei (vier: Stammbach s.u.) Diakonievereine von Helmbrechts, Münchberg und Waldstein erklären sich bereit, dem ZDV beizutreten. Nur der Diakonieverein und die Kirchengemeinde Schwarzenbach a. d. Saale schließt sich dem Diakonischen Werk Hof an. Ende der 90er Jahre schert der Diakonieverein Stammbach aus. Er tritt 2015 wieder bei, ebenso der Diakonieverein von Grafengehaig-Presseck im Jahre 2012.
In seiner Sitzung vom 16. Oktober 1996 beraten die Verantwortlichen der Arbeitsgemeinschaft Zentrale Diakoniestation über das Bauprojekt Seniorenwohnanlage, das auf dem Gelände der ehemaligen Bischoffbräu im Herzen der Stadt entstehen soll. Nach eingehender Beratung entscheidet man sich für die Verwirklichung des Projekts mit 33 seniorengerechten Wohnungen und 31 Pflegeappartements unter der Bedingung einer betriebswirtschaftlichen Prüfung durch das Diakonische Werk Bayern und der Erteilung der Betriebserlaubnis durch die Regierung von Oberfranken. Außerdem wird ein Pflegesatz vorausgesetzt, der die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sicherstellt. Als Rechtsform strebt man eine gemeinnützige GmbH an. Der Gemeindediakonieverein Münchberg ist Mehrheits- der ZDV Minderheitsgesellschafter, ca. 2007 wird das Mehrheitsverhältnis gedreht. Am 3. März 2001 erfolgt die Einweihung des 20-Millionen-Projekts. Im Haus, das auch die ambulante Kranken- und Altenpflege beherbergt, sind etwa 40 Schwestern und Helfer im Einsatz. Die Geschäftsführer sind bis 2007 Diakon Ulrich von Brockdorff, von 2007-2010 Diakon Peter Unger und ab 2010 Oliver Münchberger. Ab 2002 ist die Zentrale Diakoniestation in der Luitpoldstraße zu Hause. Viele treue ehrenamtliche Helferinnen und Helfer setzen sich über Jahre für die Bewohner in der SWA ein, singen, basteln, spielen mit den alten Menschen, die es ihnen von Herzen danken. Auch die Gottesdienste werden gerne angenommen, ebenso die Wellness-Wochen, die für jedermann offenstehen. Im ZDV und in der Seniorenwohnanlage sind 2019 über 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Ende 2019 wird der Jahreshauptversammlung des Vereins für Gemeindediakonie mitgeteilt, dass die weitere finanzielle Entwicklung der SWA einen Zusammenschluss mit der Diakonie Hochfranken unumgänglich mache. So könne, laut Protokoll vom 16.11.2019 „zukunftsorientiert geplant und gehandelt werden“.
Im März 2021 schließt die Diakonie Hochfranken die stationäre Pflege in der SWA. Nur der Bereich des Betreuten Wohnens bleibt. Die Bestürzung ist groß. Die Frage, wie es weitergeht, ist noch offen.
Der Verein für Gemeindediakonie muss sich neu orientieren. Ein wichtiger Pfeiler seiner Arbeit, die Altenpflege, ist weggefallen. Er wurde vom Träger- zum Förderverein.
Umso mehr kümmert sich der Ausschuss des Gemeindediakonievereins um die Anliegen des Waisenhauses, das seit 1971 Kinderheim heißt und 1999 in Evangelische Kinder- und Jugendhilfe umbenannt wurde. Viel hat sich seit den Tagen von Schwester Marianne Buchner verändert. Mit Hilfe des Gemeindediakonievereins, der Oberfranken-Stiftung und weiterer sozialer Einrichtungen, privaten wie Firmenspendern wird das Heim immer wieder den aktuellen Bedürfnissen angepasst und baulich sowie personell verändert. 1972 und 2007 stehen Generalsanierungen an. Mit dem Kauf der Vollaufmühle bei Grafengehaig wird ein ortsnahes Ferienhaus für Kinder und Mitarbeiter geschaffen. Um die Selbständigkeit der Heimkinder zu fördern, entstehen Außenwohngruppen im Escherhaus und in der Schubertstraße sowie die Wohngruppe Frank in Bad Berneck. Nach dem Ausscheiden von Schwester Rosi, die das Kinderheim von 1971 bis 1991 geleitet hat, treten die Heilpädagogin Renate Müller und der Erzieher Peter Hahn ihre Nachfolge an. 1992 wird das Haus als heilpädagogische Einrichtung anerkannt und nimmt ab 1999 auch verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche aus Multi-Problemfamilien auf. 2019 zieht eine weitere Wohngruppe um in den Kopernikusweg in Münchberg. Ein großer Freundeskreis an Spendern unterstützt „unser Kinderheim“, das seit Oktober 2018 von Friedemann Hopp geleitet wird.
In den Räumen der Kinder- und Jugendhilfe ist seit 2007 der Hort „Wilder Haufen“ untergebracht, der ebenso wie die Jugendsozialarbeit an der Mittelschule Poppenreuth vom Verein für Gemeindediakonie getragen wird. Von Dekanin Susanne Kasch und Kinderheim-Leiterin Renate Müller 2002 auf den Weg gebracht, sind die Sozialpädagoginnen der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) eine wichtige Anlaufstelle für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrer, seit 2019 auch an der Grundschule in Münchberg.
Seit nunmehr fünfzehn Jahren gibt es den Münchberger Tisch, der am 10. Januar 2007 von Vertretern der Arbeiterwohlfahrt, der katholischen und evangelischen Kirchengemeinde und vom Verein für Gemeindediakonie als Träger unter Führung von Dekan Erwin Lechner gegründet wurde. Die Stadt Münchberg stellt ein renoviertes Haus im Unteren Graben 5 zur Verfügung, in dem jede Woche Waren von 30 verschiedenen Einzelhändlern und Märkten aus Münchberg und Umgebung gesammelt, aussortiert, in Tüten verpackt und am Samstagnachmittag an die bedürftigen Menschen ausgegeben werden. Dreiundvierzig ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter vierzehn Fahrerinnen und Fahrer, verrichten mit Freude und großer Einsatzbereitschaft den Dienst am Nächsten, der nur möglich ist durch die Großzügigkeit kommerzieller und privater Spender.